(KAP) Der Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, Klaus Schwertner, warnt vor einer wachsenden Spaltung der Gesellschaft sowie Populismus: "Parteien der Extreme schaffen und verstärken damit vor allem Ängste, tragen aber sehr wenig zu Lösungen bei", sagte der Schwertner in der aktuellen Ausgabe des "Kurier" (Ausgabe 28. Jänner). Aktuell zeige sich der Populismus durch Worte wie "Fahndungslisten" oder Deportationsfantasien. Hier brauche es einen Aufschrei der Parteien der politischen Mitte, den Schwertner aber vermisste: Parteien würden es versäumen, "in einer Sprache zu kommunizieren, die Menschen abholt, die ihnen auch Ängste nimmt".
Als Aufgabe einer politischen Mitte nannte Schwertner, "Ängste zu nehmen und politische Antworten auf drängende Fragen zu buchstabieren". Ermutigend bezeichnete Schwertner die Demonstration vor dem Parlament gegen Rechtsextremismus am Freitag. Aber auch im Parlament müsste "unsere liberale Demokratie gegen autoritäres Gedankengut verteidigt" werden.
"Ich glaube, wir haben auch ein Stück weit verlernt, einander zuzuhören", so der Caritas-Präsident wörtlich. Bemerkbar werde dies etwa bei versteckten Nöten, wie Einsamkeit, die dazu führe, dass sich Menschen vom demokratischen Prozess zurückziehen oder sich populistischen Parteien zuwenden. Das Thema Einsamkeit sei aber bislang nicht auf der politischen Agenda angekommen. Von einer künftigen Bundesregierung verlangte Schwertner, das Thema Einsamkeit in das neue Regierungsübereinkommen aufzunehmen.
"Gegen die eigene Ohnmacht, die man in einer Zeit der multiplen Krisen spürt, ist es am wirksamsten, selbst aktiv zu werden", so Schwertner im "Kurier"-Interview. Noch immer gäbe es viele Menschen, die sich dafür einsetzen, dass Österreich "jeden Tag ein Stück menschlicher, ein Stück gerechter, ein Stück heller wird". Das gelte es zu stärken.
Globalisierung der Solidarität nötig
Kritik erntet die Caritas laut Schwertner, dass sie nicht nur in Österreich hilft, sondern weltweit. Nötig seien hierbei weniger Argumente, sondern die Frage, woher diese Empörung und Ängste kommen, meinte Schwertner. In einer globalisierten Welt könne es einem nur gut gehen, "wenn es auch unseren Nachbarn gut geht". Erforderlich sei "so etwas wie eine Globalisierung des Verantwortungsbewusstseins und der Solidarität", da große Krisen nur gemeinsam gelöst werden könnten.
Visionärer Zugang in Politik nötig
Österreichweit hätten Bundesregierung und Länder in den vergangenen Monaten zwar etliche Hilfen auf den Weg gebracht - wie die Valorisierung vieler Sozialleistungen und die Abschaffung der kalten Progression - es fehle jedoch an einem "visionären Zugang in der Politik, der über tagespolitische Themen hinausgeht". So brauche es etwa Rahmenbedingungen, durch die Menschen "gar nicht erst die eigene Wohnung verlieren", auch bei den Themen Pflege, Armut, Bildung oder Klima benötige es "handfeste Lösungen".
Auf die Frage nach dem Österreichplan von Bundeskanzler Karl Nehammer, meinte Schwertner wörtlich: "Wir werden uns das im Detail ansehen müssen. Wenn hier auch Ideen gewälzt werden, die Armutsbetroffene ärmer und die Kluft zwischen Arm und Reich größer machen könnten, dann bereitet das Sorge." Nach Jahren der globalen Krise sei es keine Lösung, den Druck auf Sozialhilfebezieher zu erhöhen.
Positiv bewertete Schwertner die Entwicklung Wiens "zu einer vorbildlichen Stadt in Bezug auf Obdachlosen- und Wohnungslosenhilfe". So habe die Stadt die politische Entscheidung getroffen, "dass im Winter jede und jeder, der einen warmen Schlafplatz braucht, diesen auch erhalten soll". Die Caritas helfe etwa mit ihren 42 Wärmestuben, die sie gemeinsam mit den Pfarren der Erzdiözese Wien betreibt und von mehr als 1.000 Freiwilligen getragen wird. Dieses Beispiel zeige, "dass trotz aller Krisen sehr viel Solidarität in Österreich und in Wien vorhanden ist", so Schwertner, er ist seit rund einem Jahr Direktor der Wiener Caritas.