Schwertner: „Einsamkeit eine unterschätzte Not und nach wie vor großes Tabu-Thema. Die Caritas macht am „Blue Monday“ auf zahlreiche Angebote gegen Einsamkeit aufmerksam.
Der dritte Montag im Jänner ist angeblich der traurigste Tag im Jahr und der Zeitpunkt, an dem die Stimmung ihren Tiefpunkt erreicht haben soll. Die Caritas macht deshalb einmal mehr rund um den „Blue Monday“ auf ein drängendes Thema aufmerksam: „Einsamkeit war bereits vor Corona eine Zivilisationskrankheit, doch verstärkt durch die Pandemie und die Teuerungen nimmt auch die Einsamkeit weiter zu. Laut einer Studie, die die Caritas gemeinsam mit SORA durchgeführt hat, fühlen sich 570.000 Menschen in Österreich mehr als die Hälfte der Zeit einsam,“ betont Klaus Schwertner, Caritasdirektor der Erzdiözese Wien. Jede*r Vierte berichtet, sich aufgrund der Corona Pandemie einsamer zu fühlen. Insgesamt geben 17% der Befragten an, dass sie Sozialkontakte durch die Preisanstiege der jüngeren Vergangenheit einschränken mussten. Besonders hoch ist dieser Anteil bei Personen mit einem Haushaltseinkommen bis 1.500 Euro: Hier musste mehr als jede*r Dritte die Sozialkontakte einschränken. „Einsamkeit ist eine Not unserer Zeit, die viel verbreiteter ist, als wir annehmen und gleichzeitig noch immer ein großes Tabuthema. Als Hilfsorganisation begegnet uns das Thema seit Jahren. In der Pflege, bei den pfarrlichen Besuchsdiensten, in den Wärmestuben oder in den Beratungsgesprächen in unseren Sozialberatungsstellen: Viele Menschen haben niemanden, dem sie ihre Sorgen anvertrauen können, viele Menschen können sich einen Besuch im Kaffeehaus nicht leisten, um aus ihrer Isolation zu kommen. Mit Initiativen wie dem Plaudernetz wollen wir einen wesentlichen Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten,“ so Schwertner.
Denn Einsamkeit hat nicht zuletzt negative Folgen für die Gesundheit. Dass soziale Isolation gesundheitsgefährdend ist, hat kürzlich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betont. Menschen ohne starke soziale Kontakte sind einem höheren Risiko von Schlaganfällen, Angststörungen, Demenz, Depressionen und Suizid ausgesetzt. Schwertner appelliert daher auch an die Bundesregierung, das Thema endlich auf die Agenda zu nehmen. „Einsame Menschen wieder in die Gesellschaft zu holen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und eine Aufgabe der Politik. Wer den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken will, muss die Einsamkeit bekämpfen. Schauen wir gerade jetzt aufeinander. Und dabei vor allem auf jene, die es besonders schwer haben. Wir werden die Krisen unserer Zeit nur gemeinsam überwinden“, appelliert Schwertner.
Plaudernetz: Seit Projektstart mehr als 41.000 Gespräche geführt
Einsamkeit trifft viele Menschen, unabhängig von Alter, sozialem Hintergrund und Einkommen. Die Caritas startete daher gemeinsam mit der Kronen Zeitung und Magenta im ersten Lockdown das Plaudernetz. Das Prinzip ist einfach: Menschen, die niemanden zum Reden haben, telefonieren unter der Nummer 05 1776 100 mit Freiwilligen, die gerne zuhören. Seit Projektstart im April 2020 wurden inzwischen mehr als 41.000 Gespräche geführt, das entspricht einer Gesamtgesprächsdauer von über einer Million Minuten oder 720 Tagen. Täglich werden zwischen 10 und 22 Uhr Gespräche entgegengenommen. Die Telefonate dauern durchschnittlich eine halbe Stunde. Rund 4.000 Plauderpartner*innen engagieren sich freiwillig beim Plaudernetz, mehr als 6.000 Anrufer*innen haben die Nummer bereits gewählt. Dabei ist das Plaudernetz keine Krisen- oder Expert*innenhotline, sondern ein Plauderangebot für die kleinen und großen Gespräche, die den Menschen oft so fehlen. Schwertner: „Das Plaudernetz bringt Menschen zusammen, die sich noch nie davor gesehen oder gesprochen haben. Sie können miteinander plaudern, ihre Sorgen und Ängste teilen und sich mit jemandem verbunden fühlen. Oft hilft ein einfaches Telefonat schon enorm.“
Angebote der Caritas gegen Einsamkeit
Die Caritas Einsamkeits-Studie hielt fest: Jede und jeder Vierte wünscht sich mehr soziale Kontakte. Dass der Bedarf an Begegnungsmöglichkeiten und Austausch deutlich gestiegen ist, zeigt auch die große Nachfrage bei zahlreichen Initiativen der Caritas.
Auch diesen Winter haben wieder 42 Wärmestuben in Pfarren in Wien und Niederösterreich ihre Pforten geöffnet und bewirten Gäste. Die Wärmestuben sind nicht nur Orte, an denen sich Menschen aufwärmen und satt werden können. Das Gefühl des Willkommenseins ist gerade für jene Menschen besonders wertvoll, die von der Gesellschaft oft übersehen werden. www.pfarrcaritas.at
Die Caritas testet neue Wohnformen mit der WG Melange – ein Projekt für gemeinschaftliches Wohnen ab 55 Jahren. Denn: Immer mehr Menschen wählen bewusst neue Wohnformen, weil sie mit ihren Wahlnachbar*innen ihr Leben aktiv gestalten wollen. Die Caritas bringt Menschen zusammen und begleitet das Ankommen. Vergangenes Jahr wurde die erste WG Melange in der Seestadt Aspern bezogen. Ziel sind mehrere Wohngruppen in Wien und Niederösterreich.
Einmal in der Woche füllt sich der virtuelle Plauderraum mit Menschen, die sich mit einer geschulten Moderation zu unterschiedlichen Themen unterhalten, austauschen oder gemeinsam Spiele spielen. plauderraum.caritas-wien.at
Open2Chat bietet Jugendlichen die Möglichkeit, online mit Gleichaltrigen über ihre Sorgen, Fragen und Probleme zu chatten. open2chat ist kostenlos und anonym. Aktuell werden Peerbegleiter*innen gesucht: open2chat.at
Mit mittendrin baut die Caritas – mit Unterstützung durch Licht ins Dunkel – einen Online-Treffpunkt für Menschen mit Lernschwierigkeiten auf, als Austauschort von Menschen mit und ohne Behinderungen. Für die Gestaltung der Runden werden noch Freiwillige gesucht. mittendrin(at)caritas-wien.at
Über 100 Plauderbankerl hat die Caritas gemeinsam mit vielen Pfarren in Wien und Niederösterreich bereits an den unterschiedlichsten Stellen im öffentlichen Raum aufgestellt. Das sind gekennzeichnete Sitzbankerl, die Passant*innen dazu einladen sollen, mit anderen ins Gespräch zu kommen. www.pfarrcaritas.at