Caritas - PLUP 2023

© Johannes Hloch

Ausgezeichnet: Caritas und Raiffeisen NÖ-Wien vergeben Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis 2023

Donnerstagabend wurde der Prälat-Leopold-Ungar-Journalist*innenpreis zum 20. Mal vergeben. Der Preis, der im Sinne des Lebenswerkes von Prälat Leopold Ungar von der Caritas der Erzdiözese Wien und Raiffeisen NÖ-Wien vergeben wird, wurde im Ankersaal der ehemaligen Brotfabrik verliehen. Via Livestream konnten noch mehr Menschen an der Veranstaltung teilhaben. Für die musikalische Untermalung des Abends sorgte die Wiener Musikerin Anna Mabo. Die Auswahl der prämierten Arbeiten übernahm auch heuer eine unabhängige Jury – bestehend aus Roland Machatschke (Juryvorsitzender), Susanne Scholl, Andrea Puschl-Schliefnig, Ingrid Brodnig, Florian Klenk, Cornelia Krebs, Irene Brickner, Corinna Milborn, Sahel Zarinfard, Edith Meinhart und Matthias Däuble.

Klaus Schwertner, Caritasdirektor der Erzdiözese Wien, beglückwünschte die Preisträger*innen: „Als Caritas sehen wir aktuell an vielen Orten, dass die Not in Folge der Krisen massiv zunimmt. Corona, Teuerungen, Krieg und Terror in der Ukraine und in Nahost: All das lässt den Druck steigen, besonders auf Betroffene, aber auch auf uns als Gesellschaft und die Demokratie insgesamt. Während der Qualitätsjournalsimus zunehmenden Widrigkeiten ausgesetzt ist, treiben Digitalkonzerne die Polarisierung voran und bescheren uns einen Strukturwandel der Öffentlichkeit. Ein Dagegenhalten von gutem Journalismus, der einordnet und aufklärt, der auf Fakten basiert und Dialog fördert, war daher selten wichtiger als heute. Die Journalist*innen, deren Arbeiten heute prämiert werden, nehmen die Probleme jener in den Blick, die über keine Lobby verfügen. Sie geben Menschen in Not ein Gesicht und sorgen dafür, dass ihre Stimme gehört wird. Ich gratuliere zu dieser wichtigen Leistung und hoffe, dass der Preis auch Redaktionen ermutigt, sozialen Fragen und Themen weiterhin Raum zu geben.“

Raiffeisen NÖ-Wien pflegt eine jahrzehntelange Partnerschaft mit der Caritas Wien und unterstützt auch im Jubiläumsjahr die Preisverleihung: „Gerade in Zeiten von Fake News und polarisierenden Hassbotschaften im Netz tragen Medienschaffende eine große gesellschaftliche Verantwortung, in die Qualitätsjournalismus einzahlt“, so Claudia Süssenbacher, Geschäftsleiterin der Raiffeisen-Holding NÖ-Wien, und betont: „Um Toleranz und Verständnis für soziale Randgruppen zu fördern, braucht es neben seriöser, konstruktiver Berichterstattung, basierend auf sorgfältiger Recherche, eine kritische Haltung und Mut. Dafür holen wir zum 20. Mal gemeinsam mit der Caritas Wien die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger sowie ihre herausragenden Arbeiten vor den Vorhang.“

Journalistin und Autorin Barbara Coudenhove-Kalergi widmete sich in ihrer Festrede dem Lebenswerk von Prälat Leopold Ungar sowie der Wichtigkeit einer funktionierenden Zivilgesellschaft: „Die Hilfsorganisationen, unter ihnen die Caritas, die NGOs und die Qualitätsmedien bilden gemeinsam die Zivilgesellschaft und die ist in Zeiten wie diesen wichtiger denn je.“

Die Hauptpreisträger*innen 2023

Der Hauptpreis in der Kategorie Print ergeht heuer an Robert Treichler für die Arbeit „Was geschah, nachdem Wolfgang R. seine Frau misshandelte“, die im Wochenmagazin Profil erschienen ist. „Heuer wurden in Österreich bereits 26 Frauen Opfer von Femiziden. Das ist die Spitze eines Eisbergs an Brutalität: Durchschnittlich jede Stunde wird eine gewalttätige Person, meist ein Mann, polizeilich weggewiesen, um Frau und Kinder zu schützen. So wie Wolfgang R., der am 18. September 2021 betrunken über seine Frau hergefallen ist. Robert Treichler, stellvertretender Chefredakteur des Profil, hat R. danach ein Jahr lang journalistisch begleitet. Er hat einen chronologisch aufbereiteten, präzisen Text geschrieben, der die Sichtweise des Gewalttäters wiedergibt. Dieser steht seinem eigenen Gewaltausbruch recht ratlos gegenüber, die verpflichtenden Antigewaltgespräche schätzt er durchaus - aber vor allem will er, dass alles wieder so wird wie vorher. Der Artikel bietet wichtige Einblicke in die Gewaltdynamik in Beziehungen.“, so die Jury.

Der Hauptpreis in der Kategorie Fernsehen geht dieses Jahr an Nora Zoglauer für „Weiblich, obdachlos, unsichtbar“ für ORF Am Schauplatz. Die Jurybegründung im Wortlaut: „Etwa ein Viertel der von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen sind Frauen. In der Öffentlichkeit sieht man sie nur selten. „Als Frau geniert man sich immer mehr, als ein Mann, und die Gewalt gegenüber einer Frau ist viel größer,“ sagt Renate A., die sieben Jahre auf der Straße gelebt hat, in der Reportage von Nora Zoglauer. Die Redakteurin der Sendung „Am Schauplatz“ hat das Vertrauen mehrerer Frauen gewonnen, sodass sie ihre Scham überwinden und von ihrem Schicksal erzählen konnten. Immer war Flucht vor der Gewalt im Spiel, im Elternhaus, in der Partnerschaft. In dieser klassischen Sozialreportage gibt Nora Zoglauer Frauen eine Stimme, die meist „unsichtbar“ sind, aber immer mehr werden. Sie macht spürbar, warum die Frauen in diese Situation geraten sind. Nora Zoglauer begleitet ihre Protagonistinnen über mehrere Monate und zeigt, dass es auch Auswege gibt - und wie wichtig Hilfsangebote für wohnungslose Menschen sind, um den Weg weg von der Straße zu schaffen.“

Der Hauptpreis in der Kategorie Online/Multimedia ging heuer an die andererseits-Journalist*innen Katharina Brunner, Lisa Kreutzer, Sandra Schmidhofer, Fabian Füreder und Arthur Moussavi-Wagner, die gemeinsam an „Das Spenden-Problem“ gearbeitet haben. Das Jury-Urteil im Wortlaut: „Eine wichtige Leistung von unabhängigem Journalismus ist es, auch dort kritische Fragen zu stellen, wo das unerwünscht und unangenehm ist, wo viele lieber die Kritik ausblenden würden, weil sie nicht in ihr Selbstbild oder in die mediale Eigendarstellung passt: Die Redaktion andererseits hat solch eine kritische Recherche geliefert mit ihrem Bericht zu „Licht ins Dunkel“, der berühmten Spendenaktion des ORF. Viele Menschen mit Behinderung sehen Licht ins Dunkel schon lange kritisch: Weil hier nicht die Frage aufgeworfen wird, welche Rechte Menschen mit Behinderung zustehen, sondern sie in der Rolle der Almosen-Empfängerinnen und -Empfänger landen. Gleichzeitig wirft andererseits die Frage auf, wer denn eigentlich von Licht ins Dunkel am meisten profitiert. „Geht es da ums Mitgefühl oder geht es um Politik oder um Werbung machen“, fragt eine Frau im Beitrag. So treten in der Spendenshow sogar manche Politiker auf, zu deren politischen Entscheidungen man den Vorwurf findet, dass sie die Barrieren für Menschen mit Behinderung vergrößert (und nicht verkleinert) haben. Für diese eindrucksvolle und wichtige Recherche erhält die Redaktion andererseits den Hauptpreis in der Kategorie Online. Man sieht hier auch, dass gerade ambitionierte neue Digitalmedien ein Ort sein können, an dem Menschen mit und ohne Behinderung auf Augenhöhe arbeiten und gemeinsam die Diversität in unserer Gesellschaft umfassender abbilden.“

In der Kategorie Radio wurde die Reportage „Protokolle eines Pflegedienstes“ von Noel Kriznik ausgezeichnet. Gesendet wurde sie in der Ö1-Reihe Moment am Sonntag. „Österreich befindet sich in einer Pflegekrise - nicht erst seit heute. Gleichzeitig werden die Menschen immer älter, die Zahl der Pflegebedürftigen steigt. Pflegekräfte verdienen nicht viel und sind physisch wie psychisch gefordert. Nicht wenige denken an einen Ausstieg aus dem anstrengenden Beruf. Was aber bewegt jene Frauen - die Branche ist überwiegend weiblich - die gerne in der Pflege arbeiten, ob im Krankenhaus oder bei den alten Menschen zu Hause? Noel Kriznik hat mit zwei Pflegerinnen gesprochen. Er erzählt die Geschichte aus deren Perspektive, begleitet sie bei ihren Einsätzen und gewährt damit Einblicke in einen mühsamen Arbeitsalltag, für den es viel Energie und Empathie braucht. Diese beweist auch der Reporter, dem ein wunderbares Stück Radio gelungen ist. Eine klassische Reportage im besten Sinne, die nachdenklich macht, berührt - und einen mitunter auch schmunzeln lässt.“, so die Jurybegründung.

Die Anerkennungspreisträger*innen 2023

Der Anerkennungspreis wurde heuer in der Kategorie Print an Lina Paulitsch („Es soll endlich aufhören“, „Überhört. Übersehen. Übervorteilt“ und „Gedenken und Terror“ für die Wochenzeitung Falter) vergeben. In der Kategorie TV wurde Isabella Purkart („Iran: Frau, Leben, Freiheit“ für ORF Weltjournal) mit einem Anerkennungspreis ausgezeichnet. Die Anerkennung im Bereich Online/Multimedia ging an Daniela Breščaković („Wie eine Grazer Einrichtung Homosexuelle ‚therapiert‘“ in der Kleine Zeitung). Bea Sommersguter („Kunstgenuss ohne Schranken“ für Ö1 Moment) wurde in der Kategorie Hörfunk mit einem Anerkennungspreis prämiert.