Zum Auftakt einer großen österreichweiten füreinand‘-Tour präsentiert die Caritas wenige Wochen vor der Nationalratswahl gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut Foresight eine Umfrage zu den Themen Politik, Zusammenhalt und Freiwilliges Engagement. „Uns haben Schicksalsfragen dabei mehr als Sonntagsfragen interessiert“, stellt Caritas Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler bei der Präsentation im Kelsensaal des Parlaments klar. „Es ging uns nicht darum, welche Partei die Wahl gewinnt. Das ist nicht unsere Aufgabe als Hilfsorganisation. Wir wollten viel mehr wissen, ob die Menschen in Österreich noch zuversichtlich in die Zukunft blicken, welchen Einfluss die Krisen der vergangenen Jahre auf ihr Leben haben und was sie sich in der Folge von Politik und Parteien erwarten.“ Konkret befragte Foresight im Juni und Juli 800 Menschen in ganz Österreich. Caritasdirektor Klaus Schwertner: „Die Umfrage macht deutlich: Nimmt der Druck auf Menschen in Folge der Krisen zu, sinkt das Vertrauen in Demokratie und Zusammenhalt. Zwar anerkennen viele die Reformen der letzten Jahre - etwa in der Pflege oder im Bereich der Armutsbekämpfung - aber eine große Mehrheit in unserem Land sehnt sich nach einer konstruktiveren politischen Kultur und befürwortet Investitionen in einen armutsfesten Sozialstaat. Die Menschen empfinden die Aggression und die Verrohung in der politischen Auseinandersetzung als belastend und gefährlich. Eine große Mehrheit ist auch bereit, selbst einen Beitrag zu leisten und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.“ Tödtling-Musenbichler: „Wir müssen aktuell in vielen Ländern die Erfahrung machen, dass Demokratie kein Selbstläufer ist und dass Populismus und Extremismus auf dem Vormarsch sind. Doch es gibt Wege, dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen: Indem wir von unserem Stimmrecht Gebrauch machen, aber auch indem wir uns füreinand‘ einsetzen. Demokratie lebt davon, dass sich Politiker*innen in den Parlamenten parteiübergreifend für die Anliegen der Bevölkerung einsetzen, dass sich andererseits aber auch Menschen abseits der Parlamente Tag für Tag für Demokratie und Zusammenhalt starkmachen. Auf unserer Tour durch die Bundesländer wollen wir eine breite Mehrheit für Menschlichkeit, für Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land schmieden.“
100.000 Stunden gegen das Dagegensein, für den Zusammenhalt: Lernhilfe anbieten, Sachspenden abgeben, Suppe ausschenken...
Schwertner: „Unser Motto lautet: Gegen das Dagegensein und für Zusammenhalt und Menschlichkeit. Österreich ist bereits heute Weltmeister, wenn es um Freiwilliges Engagement und Ehrenamt geht. Wir wollen nun 100.000 freiwillige Einsatzstunden zusätzlich sammeln und Menschen dafür begeistern, sich einmalig oder langfristig füreinand‘ einzusetzen. Die Parteien gehen auf Stimmenfang. Wir gehen auf Stundenfang.“ Tödtling-Musenbichler verweist dabei auch auf die aktuelle Umfrage: „Wir sind so wie eine absolute Mehrheit der Befragten (77 Prozent) überzeugt: Freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeiten stärken Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.“ Konkret können sich Interessierte ab sofort auf der Webseite fuereinand.at für Freiwilligeneinsätze in ihrer Region anmelden und aus einer Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten wählen. „Die füreinand‘ Community gibt uns die Möglichkeit, sehr rasch und unkompliziert auf Bedarfe in ganz Österreich zu reagieren“, betonen die Projektkoordinatorinnen Irene Steininger und Anna-Sofia Fotiou. „Wir können sehr gezielte Aufrufe in einzelnen Regionen starten oder große Sachspendensammlungen österreichweit mobilisieren. Bis heute haben sich bereits über 39.000 Menschen auf füreinand‘ registriert. Diese Menschen haben beispielsweise Suppe an obdachlose Menschen ausgegeben, Menstruationsartikel für armutsbetroffene Frauen gesammelt, gegen Einsamkeit geplaudert, Pflegeheimbewohner*innen auf Ausflüge begleitet oder Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, bei ihrer Ankunft unterstützt. Und nun hoffen wir, dass wir in den kommenden Wochen auf unserer Tour durch alle Bundesländer genug Menschen finden, um die nächsten 100.000 Einsatzstunden für Menschen in Not sicherzustellen.“
Foresight: Die Umfrageergebnisse im Detail und zum Download!
Befragt wurden 800 Menschen ab 16 Jahren in ganz Österreich im Zeitraum Juni und Juli 2024. Die Befragung wurde telefonisch und online durchgeführt. Die Ergebnisse finden Sie hier zum Download und unter www.caritas-wien.at/studien.
So blicken die Befragten auf die Politik:
- Knapp ein Drittel der Befragten (34%) ist der Ansicht, dass das politische System in Österreich ziemlich gut funktioniert. Je schlechter die eigene soziale Lage, umso schlechter das Zeugnis, das dem politischen System ausgestellt wird.
- Ein Drittel der Befragten (36%) gesteht der Politik eine gewisse Lösungsorientierung zu - etwa im Bereich der Pflege oder der Armutsbekämpfung. Gleichzeitig fühlt sich nicht einmal ein Drittel (28%) der Menschen von den Parteien im Parlament vertreten. Der Wert verschlechtert sich, je eher Menschen selbst von Armut betroffen sind.
- Sieben von zehn Befragten äußern Sorge darüber, dass der politische Ton rauer und unversöhnlicher geworden ist. Knapp jeder Zweite empfindet die zunehmende Aggression in der politischen Auseinandersetzung als belastend. Und 67% der Befragten bereitet das radikale Auftreten mancher politischen Gruppen große Sorgen.
- 75% der Befragten sind überzeugt: Die aktuelle Verrohung der politischen Kultur schadet dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land.
Das wünscht sich die öst. Bevölkerung von der Politik:
- Eine absolute Mehrheit der Österreicher*innen - neun von zehn Befragten - fordern von der Politik mehr Lösungen und dass politische Kräfte über Parteiengrenzen hinweg zusammenarbeiten.
- 64 Prozent der Befragten sagen: Ich bin stolz auf die sozialstaatlichen Leistungen in Österreich. Zwei Drittel der Befragten fordern darüber hinaus Sozialleistungen, die gegen Armut absichern.
- 85 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu: „Wenn wir Reformen in Pflege, Bildung oder Armutsbekämpfung umsetzen, dann stärkt das auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in unserem Land.“
Das denkt die öst. Bevölkerung über Ehrenamt und Freiwilliges Engagement
- Eine große Mehrheit der Österreicher*innen (77 Prozent) ist überzeugt: Freiwillige und ehrenamtliche Tätigkeiten stärken die Demokratie und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
- Zwei Drittel der Befragten (65%) sagen: Freiwilliges Engagement ist auch eine Form von politischem Engagement.
So geht es den Menschen in Österreich nach Jahren der Krise:
- Jede*r Fünfte (22%) erwartet, dass die eigene Lebensqualität sinken wird. Beinahe doppelt so viele Menschen (43%) glauben, dass die Lebensqualität in Österreich insgesamt sinken wird. Und: Je stärker Menschen unter Druck geraten, umso eher sinkt ihr Vertrauen in das politische System. Umso weniger sehen sich im Parlament vertreten. Umso schlechter bewerten sie den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Österreich.
- Die Krisen der vergangenen Jahre haben dazu geführt, dass die Bevölkerung den Gürtel enger schnallen musste: Fast die Hälfte der Befragten musste sich aufgrund der Teuerung im Alltag einschränken; unter Menschen in schlechter finanzieller Lage sogar mehr als drei Viertel. Vier von zehn haben die Befürchtung, dass sie sich bei anhaltender Teuerung verschulden müssen.
Das füreinand‘-Team ist in den kommenden Wochen in allen Bundesländern im Einsatz:
Wien: 5.9.2024, von 15 - 18 Uhr, Mariahilfer-Straße
St. Pölten: 10.9.2024, von 8 - 16 Uhr, Riemerplatz
Linz: 11.9.2024, von 12.30 Uhr - 19.30 Uhr, Domplatz
Salzburg: 12.9.2024, von 8 - 14 Uhr Congress bzw. 16 - 19 Uhr Haus Elisabeth
Bregenz: 17.9.2024, von 10 - 16 Uhr am Sparkassenplatz
Graz: 20.9.2024, von 10 - 16 Uhr am Karmeliterplatz
Oberwart: 21.9.2024, von 8 - 12.30 Uhr, Hauptplatz
Innsbruck: 25.9.2024, von 13 - 17 Uhr, Maria-Theresien-Straße
Klagenfurt: 27.9.2024, von 13 - 17 Uhr, Neuer Platz